Seit Januar 2017 finden Sie unter der Rubrik „Geist und Seele“ im Freisinger Stadtmagazin FINK von mir beantwortete Fragen zu Themen rund um unseren Körper, Geist und Seele. Hier der aktuelle Beitrag im Original zum Herunterladen: http://www.fink-magazin.de/ausgaben/april-2017/
April, April – Ällabätsch!
„Warum schickt man jemanden in den April?“
Weil ich es kann und es mich freut! Als „Selbstwirksamkeitskonzept“ kennt man das aus der Entwicklungspsychologie und soll heißen, dass ich etwas Herausforderndes für mich mit Ausdauer und Anstrengung erlange und als ein weiteres Zuckerl sogar dabei erleben darf „ich kann es kontrollieren“. Vereinfacht ausgedrückt: ich bin also in der Lage für mich (bisher nicht vorstellbare) Handlungen aufgrund meiner eigenen Kompetenz auszuführen. In unserer frühkindlichen Entwicklung (vor allem in den ersten drei Lebensjahren) sind das immer wieder bedeutende Entwicklungs- und freudige Erfolgsmomente. Als frischgeborener Säugling sind wir zunächst mit dem Ankommen in diese andere Welt beschäftigt. Mit viel Schlaf verarbeiten wir die Geburtsreise und Eindrücke sowie die Reize der neuen Welt. Körperliche Funktionen, wie z.B. unser Magen und Darm mit seinen leidigen Begleiterscheinungen wie „Bäuerchen machen müssen“ und „Darmkoliken“, wollen gemeistert werden ebenso wie das Wachsen in unser seelisch-emotionales Menschsein durch das Lernen von Beziehung und Vertrauen im Austausch und Kommunikation mit unseren erwachsenen Vorbildern.
Das geschieht allerdings zunächst (in „Babyzeit“ gerechnet) ziemlich lange aus einer ziemlich passiven Perspektive. Bis ich ersten eigenen Impulsen und Wünschen mit meinem eigenen Körper nachgehen kann, braucht es viele kleine Schritte, um aus dieser passiven Situation in eine aktive hineinzuwachsen. Dabei bin ich natürlich zunächst komplett auf meine Bezugspersonen angewiesen. Aus Sicht der junggebackenen Eltern ist das eine enorme Umstellungsleistung 24 Stunden für ein kleines neues Wesen präsent zu sein. Aus der Sicht des kleinen Wesens kann es bedeuten, dass ich falsch oder auch gar nicht interpretiert werde. Da ich auch noch keinen eigenen Willen habe, kann ich mein Leben nicht selbst gestalten. Ich begleite stattdessen meine Eltern bei ihren alltäglichen Pflichten und Besorgungen. In dieser Zeit werden meine ersten eigenen bewussten Wünsche (neben den existenziellen Bedürfnissen, wie Hunger, Durst, Schlaf etc.) wach und ich versuche mich von alleine umzudrehen, das Wasserglas auf dem Tisch zu erforschen, selbst den Löffel beim Breiessen zu halten oder die Küchenschränke auszuräumen. In all diesen Momenten gehören allerdings frustrierende Erfahrungen in Form von Begrenzung entweder aufgrund meiner eigenen noch nicht ausgereiften Fähigkeiten oder durch meine Eltern, die mich vor Gefahren schützen wollen, immer wieder dazu.
Und wie wunderbar sind dann überraschende Erfahrungen, die ich zufällig entdecke, weil mein Arm mit dem Teelöffel in der Hand auf dem Holztisch ein Geräusch erzeugt. Ich muss überprüfen, war ich das etwa? Ja, ich mache das. Ja, ich werde nicht aufgehalten. Juhuu, ICH mache dieses tolle, laute Geräusch und …. ja ich kann es immer wieder machen. Jauchzend und voller Freude teste ich mit mehreren und natürlich, weil es so schön ist, immer lauter werdenden Schlägen empirisch meine Wirkfähigkeit und mein Können.
Vielleicht wird mir dann doch irgendwann der Löffel aus der Hand genommen, dennoch schmälert das meinen Erfolg nicht, denn ich habe heute wieder etwas neues über den Löffel, den Tisch und mein Wirken in der Welt gelernt und die tiefempfundene Freude darüber.
Dass Freude mehr als nur ein Gefühlsausdruck ist (sondern auch für unsere Motivation bedeutsam), durfte ich in einem meiner ersten Seminare bei meinem damaligen sehr anspruchsvollen und herausfordernden Psychologiedozenten deutlich erfahren. Wir als Studentenschaft wollten bei ihm immer mit klugen Antworten auf seine Fragen glänzen. So wie auch bei jener, in der er wissen wollte, was einen Menschen dazu treibt immer wieder am Wochenende auf die Berge „zu kraxeln“. Irritierend fand er, am frühen Morgen das warme Bett zu verlassen, um sich voller Anstrengung und Mühe den steilen hohen Berg hochzuquälen, um ihn abends wieder ohne tatsächlichen Sinn wieder herunterzuwandern. Wir überschlugen uns mit bemüht psychologisch oder zumindest intelligenten Antworten, wie „Kompensation und Erfolgsgefühle“, „Gesundheit“, (eben die bereits benannte) „Wirkfähigkeit“, „Verbundenheit zur Natur“ usw. usw.
Unser Dozent schüttelte vehement und eindeutig ablehnend seinen Kopf und wedelte alle Antworten mit seinen Armen ab und korrigierte uns mit lauter und bestimmender Stimme: „Nein, nein, nein, … der Grund ist, weil es IHM SPASS MACHT.“
„Was passiert mit uns, wenn wir Schadenfreude empfinden? Ist das gesund? Ist das normal?“
Schadenfreue ist in unserer evolutionären Geschichte das Ergebnis aus dem sozialen Leben in der Gemeinschaft. Als Hinterlassenschaft von unseren gemeinsamen Vorfahren mit den Affen leben nach wie vor Strukturen von hierarchischen Ordnungen in uns. Unsere Position innerhalb dieser sozialen Ordnung entscheidet über unsere Lebenschancen. Schadenfreude ist also per se nicht angeboren, sondern ein erlerntes Verhalten aus dem menschlichen Miteinander und hat dabei eine regulierende Wirkung auf verschiedenen Ebenen. Geht es um unseren persönlichen Selbstwert und unser Ansehen in der Gruppe (Status und Positionierung), so kann Schadenfreude vor allem in Vergleich mit anderen psychisch entlasten und beruhigen, da das Missgeschick des anderen mich mit meiner eigenen Menschlichkeit und seinen Schwächen versöhnt und den eigenen Anspruch fehlerlos perfekt sein zu müssen, relativiert. Wenn es sich dabei zudem um Jemanden handelt, der sozial oder aufgrund seiner Kompetenz über mir steht, dann reagiert in unserem Gehirn verstärkt das Belohnungszentrum und ich fühle mich durch den Schaden des anderen – ohne selbst etwas getan zu haben – wie beschenkt. „Der andere ist auch nur ein Mensch“ und „so schlecht bin ich nun auch nicht“ und „sogar jemand, der etwas besser kann als ich, macht Fehler“ etc.. Eine weitere Steigerung meines Wohlbefindens erfahre ich, wenn jemand ungerechter Weise oder aufgrund von Tricks oder sogar Straftaten zu Unrecht „besser als ich da steht“. Hier ist dann meine Freude über sein Unglück ein persönlich tief empfundenes Gefühl von ausgleichender Gerechtigkeit. Dabei konnten Forscher feststellen, dass Schadenfreude und der damit verbundene Neid vor allem durch die Größe meiner Antipathie gegenüber der Person, der ein Missgeschick passiert, noch verstärkt werden.
„Gibt es eine Grenze, die man nicht überschreiten darf, um das Gegneüber nicht zu verletzen?“
Allgemeingültige Grenzen zu benennen ist schwierig, da jeder Mensch in seiner Individualität unterschiedliche Toleranzgrenzen hat. Hier sind tatsächlich mein Feingefühl, meine Menschenkenntnis und mein gesunder Menschenverstand gefragt. Als Orientierung sollte für uns auch hier das Altbewährte „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“, gelten. Hilfreich dabei ist sicherlich die Vertrautheit zu dem-/derjenigen, die ich anführen will und unser gemeinsamer Sinn für Humor. Der Schaden sollte gering sein und niemanden wirklich verletzen. Besonders förderlich dabei ist natürlich, dass wir uns im Rahmen der Gesetzgebung bewegen. Denn Fehlnotrufe beispielsweise können bei Einsatz von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen neben einem Straftatbestand, hohe Bußgelder zur Folge haben.
Persönlich kann ich mich zudem fragen, was denn der Hintergrund meiner eigenen Motivation ist. Ist mein Aprilscherz wirklich als eine heitere, aber harmlose Neckerei gedacht, um gemeinsam hinterher darüber lachen zu können. Oder lebt ein Konflikt oder gar eine Abneigung bezüglich dieser Person in mir. Dann ist das vermeintlich spaßig gemeinte Irreführen, als Konfliktvermeidung zu betrachten und kann beträchtlich unsere Einschätzung trüben. Es ist mir wohl nicht möglich, die empfundene Verletzung/Ungerechtigkeit etc., die vielleicht bereits länger in mir gärt, anzusprechen. Wenn der Scherz im Rahmen bleibt, weil der Schaden gering ist und alle darüber lachen können, wunderbar. Andernfalls braucht es eine innere Klarheit, um meine Situation langfristig zu verändern. Vielleicht ist es mir, mit oder ohne fremde Hilfe möglich, das zwischenmenschliche Thema anzugehen, z.B. doch mit einer offenen Aussprache.
Neben der Freude über unsere eigene Handlungsfähigkeit ist natürlich das Annehmen unserer Schwächen und darüber das Akzeptieren unserer Menschlichkeit immer eine mögliche Lösung. (Wie wir ja gehört haben auch durch eine Schadenfreude wieder in unsere Wahrnehmung rücken kann). Das klingt als wäre es selbstverständlich, aber immer wieder begegnen mir Menschen, die übermenschliches in ihrem Alltag von sich verlangen und es darin leisten und das ohne sich dessen wirklich gewahr zu sein. Funktioniert es dann mal nicht auf eine Prüfung zu lernen oder ein Projekt in der Arbeit zu Ende zu bringen oder ganz einfach den Haushalt locker noch zu bewältigen – neben all den anderen Verpflichtungen, die bereits fleißig erledigt wurden, beginnen die Selbstzweifel. Anerkennung und mich tatsächlich mal nicht mit anderen zu vergleichen, sondern andere mit mir, kann hier auch ein wertvoller Perspektivenwechsel sein. Denn das was ich kann und schaffe, ist gerade vielleicht in den Augen der anderen eine Herausforderung.
„Wer ist besonders geeignet, um in den April geschickt zu werden?“
Der Redakteur, von dem ich diese Frage gestellt bekommen habe?!
…„Eahm…APRIL, APRIL ?!“…