Seit Januar 2017 finden Sie unter der Rubrik „Geist und Seele“ im Freisinger Stadtmagazin FINK von mir beantwortete Fragen zu Themen rund um unseren Körper, Geist und Seele. Hier der aktuelle Beitrag im Original zum Herunterladen: http://www.fink-magazin.de/ausgaben/juli-2017/
Juli – Urlaubszeit
„Urlaubszeit. Wie wichtig ist das Raus aus dem Arbeitsalltag?“
„Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freuden, Schönheit und Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist’s! Reise, reise!“ (Unbekannt)
In diesem Sinne belegen Studien unbestreitbar aus angewandten Gesundheitswissenschaften und Krankenkassen die Notwendigkeit qualitativ hochwertig gelebter Urlaubszeit und mit ihr die Bedeutung (all-) täglicher Pausen, Feierabenden sowie Wochenenden für unsere körperlich-seelische Gesundheit, unser Wohlbefinden in zwischenmenschlichen Beziehungen und vor allem auch unsere Lust und Effektivität in unserem Arbeitsleben – kurz: für unsere Lebensfreude. Besorgniserregend vor diesem Hintergrund ist, dass rund ein Sechstel ihn dazu nutzt, um „in Ruhe“ berufliche Aufgaben abzuarbeiten. Diejenigen, die es in den Urlaub schaffen, gleichen diesen Zustand aus, indem jede/-r Zweite gelegentliche berufliche Kontakte in Form von E-Mails und jede/-r Dritte in Form von Telefonaten pflegen. Wenn sich das für uns kaum subjektiv belastend anfühlt, führt sie dennoch dazu, dem Erholungseffekt ein Schnippchen zu schlagen. Die Entspannung findet nicht in unsere tiefsten physischen und psychischen Zellen, da sie in unserem schlechten Gewissen, Anforderungen und Erwartungen nicht gerecht zu werden, hängen bleibt. Am Schlimmsten hat es diejenigen unter uns erwischt, deren zwanghafte (negative) Grübelei über die Arbeit verhindert, den Urlaub überhaupt zu genießen. Wir befinden uns in einer Pattsituation. Auf der einen Seite schreit unser Körper und unsere Seele nach einer Auszeit, um den stressbedingten psychischen Belastungen (bei 35% der Beschäftigten), den depressiven Verstimmungen (bei 60% der Beschäftigten), den Schlafstörungen, der Unruhe und Reizbarkeit zu entkommen. Auf der anderen Seite können 63% der Frauen und 51% der Männer unter uns der großen Vorfreude auf den Urlaub die wohlverdiente Entspannung nicht folgen lassen. Gründe gibt es so viele, wie gelebte Stresssymptome. Die Schlüsselworte hier sind „Druck“ und vor allem „Dauerstress“. Stress ist erstmal nicht schädlich für uns Menschen. Im Gegenteil: ursprünglich ist Stress aus medizinischer Sicht sogar eine körperliche Reaktion, die uns kurzfristig besonders leistungsfähig machen soll. Krankhaft wird sie durch erhöhte Stresshormone (z. B. Adrenalin, Noradrenalin und Cortison), wenn sie langfristig, dauerhaft und vor allem ohne Erholungspausen von uns gelebt wird. Hier können tatsächlich auch nur wir selbst Gandhis […]Veränderung sein die du in der Welt sehen willst“, indem wir uns und unsere Bedürfnisse ernst nehmen und unsere Freizeit- und Urlaubsgestaltung ebenso fest und in regelmäßigen Abständen in den Kalender einplanen, wie berufliche Termine oder Deadlines. Dem gesellschaftlich anerkannten „Stress = Leistung“ dürfen wir nun eine erwachsene, verantwortungsbewusste, professionelle und vor allem menschliche Selbstfürsorge entgegensetzen, einfordern, leben und als Vorbilder in die Welt bringen. Denn erst mit einer entspannten Grundzufriedenheit kann Gesundheit nicht nur in unseren Körpern und Seelen, sondern auch in der Welt zu mehr Entspannung, Zufriedenheit und Freude über das Leben darin führen.
„Sonne und Meer, daheim und auf dem Balkon, schlafen oder Abenteuer – was tut der Seele am Besten? Oder ist das Typsache?“
Wenn wir im Urlaub unserer Seele tatsächlich etwas Gutes tun wollen, dann sollten wir ihr und uns viele Gelegenheiten geben, um „undiszipliniert“ zu sein. Gefangen im Hamsterrad unserer Alltagsroutine werden wir fremdbestimmt gesteuert durch festgelegte Zeitfenster in denen wir festgelegte Aufgaben erfüllen müssen und auch wollen. Termine ausmachen, ihnen nachkommen, (grad noch so) schaffen, macht uns oft atemlos und verlangt ein diszipliniertes Funktionieren. Unser gesamtes Zeit- und Organisationskonstrukt kann nur funktionieren, wenn wir: funktionieren, ansonsten fällt sie wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Infiziert von diesem Optimierungsgefühl schlittern die meisten von uns ebengleich in ihren Urlaub. Dieser muss wie wir effektiv, optimiert, erholsam, exotisch, einfach, abwechslungsreich, chillig, außergewöhnlich, sportlich, faul, alleine, in der Gruppe – ganz einfach perfekt für mich funktionieren. Mein Erfolgsbarometer dafür ist mein Entspannungsgrad. Einen Kontakt zu diesem kann ich – nach Fachmeinung – erst durch „Selbstbestimmung“ in Form der vernachlässigten Gefühle von Freiheit und Unabhängigkeit, knüpfen.
Jetzt ist die (Urlaubs-) Zeit in der ich mich endlich frei in meinem Tempo und nach meinen Bedürfnissen bewege. Endlich mache ich die langersehnte Fernreise, oder lege mich für eine Woche Schlafen ins eigene Bett. Endlich erlaube ich mir bis mittags zu dösen und gehe das Risiko ein erst zur Lunchzeit im Hotelrestaurant aufzutauchen. Endlich kann ich mir nachsichtig Raum lassen, mich auf ungewohntes Essen, Sprachprobleme oder einfach das Unbekannte einzustimmen. Endlich erlaube ich mir, gar keinen Plan für den Tag oder die Woche zu haben und lasse mich überraschen von Impulsen aus meinem Inneren und unerwarteten Angeboten im Außen. Freiräume zulassen, um unsere Seele im Gleichnis mit Wind und Sonne baumeln zu lassen, ermöglicht uns, perfektionistische Ansprüche und Vorstellungen bei den heimischen Pflichten zurückzulassen. Wir lassen uns ein auf den Urlaub, den wir tatsächlich „jetzt – in diesem Moment“ haben und nicht, wie er in unserem Kopf zu sein hat. Schenken wir uns zusätzlich selbstgewählte Momente und Begegnungen mit neuen Herausforderungen, die wir erfolgreich meistern und etwas dazulernen, steigern wir außerdem unser Gefühl von Selbstwirksamkeit und fühlen uns dadurch erfrischt und lebendiger. Wechseln wir zwischen Ruhephasen und wohldosierten selbstgewählten (!) Aktivitäten (Sport, Wandern, Kultur) weisen wir auch noch den letzten Stresshormonen den Weg aus unserem Körper. Nun können wir entspannt und zufrieden unsere sozialen Bande zu unseren Liebsten, Mitreisenden oder einfach uns selbst vertiefen und voller Glück die (gemeinsame) Urlaubszeit genießen.
„Und was kann man dagegen tun, dass einen nach dem Urlaub die große Unlust überkommt?“
„Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub!“ ist hier das erlösende Motto. Im Idealfall geben wir im Vorfeld dringliche und wichtige Aufgaben an eine VertreterIn ab, damit uns nicht bereits bei der Ankunft Kilimandscharo Berge an Unerledigtem den Atem nehmen oder erledigen bzw. bereiten zumindest das unbedingt Notwendige vor. Es sollte uns möglich sein ruhigen Gewissens abzureisen, ohne dass wir „alles“ abgeschlossen haben müssen. Die Perfektion kann hier auch ruhig in den Urlaub geschickt werden. Als Selbstständige gilt es für uns eine innere klare Linie zu ziehen, indem wir entscheiden was existenziell notwendigerweise vor dem Urlaub zu erledigen, zu delegieren oder gut vorzubereiten ist und gilt. Haben wir dies alles gut gelöst, müssen wir nun über Kommunikationsmedien nicht für die im Bürogebliebenen erreichbar bleiben. So laden wir im Urlaub die Tiefenentspannung zu uns ein und mit ihr kann erst die Vorfreude auf unser Zuhause entstehen. Hier – wieder zurück – erlauben wir uns ein bis zwei Zwischentage zum Akklimatisieren, um die kurze Arbeitswoche an einem Mittwoch oder Donnerstag einzuläuten. Mit diesem weichen Einstieg finden wir leichter in unseren ursprünglich produktiven Arbeitsrhythmus zurück. Wir können uns ganz entspannt – zumal auch unsere Abwesenheitsnotiz zwei Tag länger läuft – auf den neuesten Stand bringen und beginnen in kleinen Portionen die Aufgaben nach Prioritäten abzuarbeiten. Leicht und schnell Erledigtes gibt uns nun die Motivation uns dem Herausfordernden anzunehmen. Bei einem Umtrunk in der Mittagspause mit den KollegInnen lassen wir uns bei kulinarischen Mitbringseln noch einmal die Urlaubsluft um die Nase wehen. So inspiriert planen wir bereits unsere nächste Auszeit und stimmen mit den Forschern überein, dass unsere Erholung bereits nach acht Wochen wieder aufgefrischt werden will. Wie gut zu wissen, dass es für unsern Körper/unsere Seele unerheblich ist, ob es sich dabei und einen Kurztrip oder eine lange Reise handelt. Sie freut sich einfach wieder um die freie Zeit.
Achten Sie gut auf sich!
Herzlichst
Nergiz Eschenbacher