Seit Januar 2017 finden Sie unter der Rubrik „Geist und Seele“ im Freisinger Stadtmagazin FINK von mir beantwortete Fragen zu Themen rund um unseren Körper, Geist und Seele.
Hier der aktuelle Beitrag im Original zum Herunterladen: www.fink-magazin.de/ausgaben/januar-2017/
Vorsätze
„Mehr Sport, keine Zigarette mehr, weniger Essen: Ist es gut und zielführend, dem Jahreswechsel so ein hohes Gewicht zu verleihen? Ganz nach dem Motto: Jetzt wird alles anders?“
Generell sind traditionelle Rituale für unsere Seele bedeutsame Sicherheiten. Vor allem in unserer heutigen individualistisch, globalisierten Welt, in der viele Werte nebeneinander bestehen, sind sie Halt und geben uns ein Geborgenheitsgefühl.
Werden sie, wie der Jahreswechsel, von vielen Menschen begangen, kann sie uns eine zusätzliche Kraft geben, weil sich eben Viele zu dieser Zeit etwas vornehmen und Neues in Ihr Leben lassen wollen. Sozusagen, können wir von der gemeinschaftlichen Welle des Aufbruchsgefühls profitieren und uns in und von der Gemeinschaft in unserem Vorhaben mittragen lassen. Der berühmte Gruppenzwang kann somit ebenfalls in positiver Weise wirken.
Bei den Neujahrsvorsätzen sollten wir uns für ihr Gelingen allerdings weitere Fragen stellen. Zwei sehr bedeutsame sind:
- Aus welchen Motiven heraus will ich etwas verändern?
- Welche Funktion erfüllen meine bisherigen Mustern, Verhaltensweisen, Gewohnheiten…für meinen Geist, meine Seele, meinen Körper?
„Wieso scheitern gute Vorsätze bei den meisten über kurz oder lang?“
Bei Vorsätzen für das kommende Neue Jahr ist es wichtig sich zu fragen: „Aus welchem Motiv heraus habe ich mir diesen Vorsatz vorgenommen?“ Weil es gesünder wäre, weil ich schon immer einmal…, weil mein Partner/meine Partnerin mir damit länger in den Ohren liegt?
Ein Vorsatz kann nur gelingen, wenn sie zum einen tatsächlich in meinen Alltag integriert werden kann (Zeit, Raum, Kapazität…). Bin ich die nächsten drei Monate beruflich, stark in einem Projekt zeitlich und körperlich eingespannt, wird es schwer noch eine Ernährungsumstellung einzubauen, ebenso wie die einstündige Fahrt zweimal in der Woche zur Skigymnastik. Das sind Gründe, die rein vor dem Hintergrund unseres realen Alltagslebens, Vorsätze scheitern lassen können. Realistische Entscheidungen zu realistischen Momenten zu treffen ist hier die Kunst und kann uns gewünschte Erfolgserlebnisse bescheren.
Ein weiteres Dilemma mit Vorsätzen für das Neue Jahr ist, wir entscheiden uns mit unserem Kopf – schlimmer noch mit unserem „Kopfkino“ – dafür und so treffen wir tatsächlich Entscheidungen, die unserer Realität genauso fern liegen wie die Blockbuster aus Hollywood. Aus einer Vorstellung und nicht aus unserem Bauch oder Herzen heraus.
Gelingen kann ein Vorsatz, wenn ich tatsächlich etwas wähle, das ich bereits immer gerne tun wollte: Oboe spielen, Aktmalerei, Klettern lernen, kunstvolle Torten kreieren, vier Stunden meiner Lieblingsserie frönen, Kalligraphie, kreatives Nichtstun oder Rennrad fahren – statt einem für mich vernünftigen „Po-Beine-Bauch-Workout“ oder dem Verzicht auf Kohlehydrate.
Meine Bereitschaft es in meinen Alltag – neben Beruf, Familie, Verpflichtungen – einzulassen, ist höher, wenn der neue Vorsatz mir etwas gibt und nicht zusätzlich Zeit, Energie, Kraft und Nerven abverlangt. Wir leben in einer Zeit, in der wir schnell, dicht und sehr viel funktionieren, d.h. wir geben, geben, geben, geben… und vergessen dabei uns selbst wieder anzufüllen: anfüllen mit Entspannung, Zufriedenheit, Freude, Kraft und Lebendigkeit. Erst so kann in uns ein freier Raum geschaffen werden, in der nun die Kapazität vorhanden ist, mich vielleicht auch Themen wie Sport, Essen etc. zuzuwenden.
Und manches Mal passiert es von selbst, dass ein Mehr an innerer Zufriedenheit, Kompensationshilfsmittel unnötig macht.
„Was ist unbedingt notwendig, um langfristig und nachhaltig eine Veränderung im Leben herbeizuführen?“
Ich habe meine Alltagsrealität berücksichtig und meine innere Freude einen Vorsatz wählen lassen und trotzdem klappt es nicht! Hier wird es wichtig etwas tiefer in uns hineinzublicken und uns zu Fragen: „Welche Funktion erfüllt denn mein unerwünschtes Verhaltensmuster?“
Unsere Handlungsweisen und wiederholten Muster halten sich hartnäckig, weil sie einen Sinn für unsere Seele, unseren Geist und/oder für unseren Körper erfüllen. Denn das „System“ Mensch ist immer auf „Systemerhalt“ ausgerichtet, auch wenn uns persönlich die Wege dazu als unlogisch, vielleicht blöd oder gar zerstörerisch anmuten. Der Mechanismus dahinter ermöglicht uns allerdings tatsächlich unser Leben zu meistern. Natürlich können wir diese umwandeln und statt Zigaretten zu rauchen, mentale Fokussierung praktizieren. Das wird allerdings nur dann funktionieren, wenn ich die Ursachen dafür kenne. Die Gründe hier können so unterschiedlich sein, wie wir als Menschen verschieden sind. Rauche ich, weil ich ein Mensch bin, der nie eigene Bedürfnisse und gar meinen Ärger ausdrückt und im Akt „des Rauch Einatmens und sofort Ausatmens“ das „ungewollt giftige“ so symbolisch loswerden kann (Spannungen abbauen) oder weil Gruppen mich verunsichern (soziale Entwicklungserfahrungen) oder weil meine ganze Familie raucht (Zugehörigkeitsidentität) oder oder oder…
Erste Schritte um mich und meine Muster kennenzulernen und vor allem für mich selbst ein wahres Verständnis zu entwickeln, können sein:
- ehrlich zu mir sein
- mich selbst beobachten
- Wahrnehmung für mich und mein Verhalten üben und stärken (wann, wie, wo….?)
- …und wenn das alles nicht weiterführt, mir gönnen professionelle Hilfe (Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Therapien etc.) anzunehmen
Ich wünsche Ihnen für das Neue Jahr eine große Portion Wohlwollen und Wertschätzung – für sich selbst.
Achten Sie gut auf sich!
Herzlichst
Nergiz Eschenbacher